Unsere historische Fahne feiert 115-jähriges Jubiläum
Ein Stück Geschichte zum Anfassen. Das ist die von Frauen der Mitglieder im Jahr 1907 in kunstvoller Arbeit angefertigte Vereinsfahne. Dieses Symbol sozialdemokratischer Tradition sollte in der Folgezeit seine eigene besondere Geschichte haben.
Der Beginn der Fahne
Besonders erfolgreich für den Ortsverein war das Jahr 1907. Bei der Kommunalwahl konnte die Partei erstmals die Mehrheit in der Gemeindevertretung gewinnen. Dieser Erfolg mag auch zur Schaffung der Vereinsfahne beigetragen haben. Im Rahmen einer Festveranstaltung wurde sie von Carl Ulrich aus Offenbach – erster Hessischer Staatspräsident und Nachfolger von Wilhelm Liebknecht im Reichstag – der Partei übergeben.
Das Jahr 1933 in Hainstadt
Im Jahr 1933 ging es den Hainstädter Sozialdemokraten nicht anders als vielen Leidensgenossen in ganz Deutschland. Kaum einen Tag nach der Annahme des berüchtigten Ermächtigungsgesetzes wurde die Sozialdemokratische Partei verboten und ihr Bürgermeister Nikolaus Dehmer aus dem Rathaus vertrieben. Die Nazis fackelten nicht lange: Noch am gleichen Tag erfolgte beim 1. Vorsitzenden Franz Wissel in der Gaswerkstraße eine Hausdurchsuchung, bei der sämtliche Parteiunterlagen beschlagnahmt wurden. Sie blieben bis heute leider unauffindbar.
Schlimmer noch traf es die Kommunistische Partei. Ihre örtlichen Spitzen wie Jakob Seib, Michael Schmidt, Adam Winter und Valentin Rücker wurden ins Gefängnis oder Konzentrationslager gesteckt. Man vermutete geheimes Material bei ihnen, auch die Parteifahne.
Die Fahne übersteht dank mutiger Hainstädter Sozialdemokraten die Nazi-Zeit
Jakob Seib, in dessen Besitz sich die Fahne nach der Spaltung der Partei im Jahr 1919 in einen sozialdemokratischen und kommunistíschen Flügel befand, und seine Ehefrau hatten sich aber ein besonderes Versteck ausgedacht. Frau Elisabeth Seib geb. Schmidt, die als geschickte Schneiderin bekannt war, hatte einen Polstersessel in ihrer Wohnung aufgetrennt, Teile der Polsterung herausgenommen und die Fahne mitten hinein genäht. Sie erzählte oft, dass bei den wiederholten Hausdurchsuchungen und Vernehmungen die Nazis gerade in diesem Sessel Platz genommen hatten. Bisherige Erkenntnisse lassen vermuten, dass dieses kostbare Stück sozialdemokratischer Geschichte als einziges in Hessen das Dritte Reich überstanden hat.
Dank und Anerkennung gebühren dem Ehepaar Elisabeth und Jakob Seib für ihren großen Mut!